Uni-Reform: Der große Pfusch

Von Walter Wippersberg (Die Presse/Spectrum), 28.05.2005

Originallink: Die Presse/Spectrum http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=sp&ressort=S100&id=484693 (Link gelöscht, Anm.d.Red)

Für die ehemaligen Kunsthochschulen gelten nun - schlichter Schwachsinn! - die gleichen Organisationsmodelle wie für die Massenuniversitäten. Auf dem Mist einer ministeriellen Kamarilla gewachsen: Österreichs Uni-Reform geht aufs rechte Ganze.

An der Wiener Filmakademie, an der ich unterrichte, gab's einmal Aufnahmsprüfungen; nun - einige Reformen später - gibt's Zulassungsprüfungen. Solche Details verraten, wes Geistes Kinder die Uni-Reformer sind. Aufgenommen oder zugelassen zu werden, das ist ein Unterschied. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen.

Die Notwendigkeit der bisher letzten Uni-Reform wurde herbeigeredet. Unsere Universitäten müssten „Weltspitze“ werden. Ein hehres Ziel, na klar, aber: Wer definiert eigentlich, was Weltspitze ist? Und: Wusste und weiß man im Ministerium überhaupt, dass etwa die Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst (der anzugehören ich die Freude habe) Weltspitze war und noch ist? Ob sie es - reformiert - bleiben kann, ist noch nicht entschieden. Wir werden ausgehungert wie alle anderen Unis auch, und die Ministerin weiß darauf nur gebetsmühlenartig zu sagen, die Rektoren müssten halt lernen, wie Manager zu agieren. Was, bitte, heißt denn das? Dass Manager heute allüberall das Sagen haben, ist wahr, aber ist es auch gut? Da es an Argumenten mangelt, haut man uns Worthülsen um die Ohren. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen . . . Diese Reform war, weil antidemokratisch und in vielen Details einfach Pfusch, nicht nötig - wohl aber gewollt. Von der Ministerin Gehrer nicht in erster Linie. Ihr die Schuld zu geben, halte ich für sehr ungerecht. Sie hatte wohl nicht viel mitzureden (die Studiengebühren etwa hat man gegen ihren ausgesprochenen Willen eingeführt). Diese Gesetze sind, darauf deutet vieles hin, auf dem Mist einer ministeriellen Bürokratie gewachsen, und das unausgesprochene Motto lautete: „Weniger Demokratie wagen!“.

Die schrittweise Abschaffung der universitären Demokratie hat schon in der Amtszeit des angeblich linken Caspar Einem begonnen (so wie übrigens die unverschämte steuerliche Bevorzugung der ganz Reichen schon unter dem angeblich linken Finanzminister Lacina begonnen hat). Die schwarz-blaue Regierung hat es jener ministeriellen Kamarilla dann nur erlaubt, aufs Ganze zu gehen. Eine rechte Regierung war willens, auch wirklich rechte Politik zu machen. Es galt, die narzisstischen Kränkungen der Kreisky-Jahre zu rächen, und dazu gehörte auch, Herta Firnbergs Uni-Reform von 1975 rückgängig zu machen. Marlene Streeruwitz vermutet (im „Spectrum“ vom vergangenen Wochenende) einen „Hass auf Geistigkeit“ und einen „antisemitisch fundierten Antiintellektualismus“. Ich nenne diese Geisteshaltung - einen verstorbenen Freund, den Schriftsteller Franz Kain, zitierend - gern so: Gegenreformation mal Sumpertum.

Sumpertum: Es manifestiert sich unter anderem im unreflektierten Nachäffen ausländischer Modelle und in der Unfähigkeit zur Differenzierung. Man führt mit dem Bakkalaureat einen Schmalspur-Abschluss ein, weil dann ist unsere Akademikerquote bald auch so super wie anderswo, gell? Und alles schlägt man über einen Leisten. Für die ehemaligen Kunsthochschulen gelten nun - schlichter Schwachsinn! - die gleichen Organisationsmodelle wie für die Massenuniversitäten. - Die Gegenreformation: In jenen alten Tagen, als man „mehr Demokratie wagen“ wollte, hat man an den Universitäten die drittelparitätische Mitbestimmung der Studenten eingeführt. Eine, so dachte ich lange, unantastbare Errungenschaft wie zum Beispiel das Frauenwahlrecht. Vor ein paar Jahren wurde dann behauptet (nicht bewiesen!), die „Basisdemokratie der Achtundsechziger“ sei gescheitert. Vom „endlosen Palavern in den Gremien“ war die Rede. So komplizierte Formen der Entscheidungsfindung könne man sich heute nicht mehr leisten. Und die studentische Mitbestimmung wurde einfach abgeschafft. Heute noch wundert mich, wie leise der öffentliche Protest dagegen war, zumal alle „Argumente“ für die Abschaffung der universitären Demokratie eins zu eins auch für eine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie ins Treffen geführt werden könnten.

Demokratie scheint für viele Österreicher kein Wert an sich zu sein. Darum wurde ja auch nur leise gegen jenes Gesetz protestiert, mit dem sich die ÖVP eine Mehrheit in der Bundes-ÖH zu sichern sucht (so wie man sich früher schon des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger durch eine Gesetzesänderung bemächtigt hat).

Sumpertum - zumal gegenreformatorisches - verbindet sich oft mit erstaunlicher Schläue. Und so hat man erkannt, dass es der Herrschaftsausübung dienen kann, die Beherrschten aus dem eigenen Herrschaftsbereich zu entlassen. Die Universitäten sind heute autonom, dem Einfluss des Wissenschaftsministeriums formell weitgehend entzogen. Kurz zuvor hat man ihnen freilich rasch noch jene - vorsichtig formuliert - autokratische Organisationsstruktur aufgezwungen.

Ein wenig Macht den Institutsvorständen und sehr viel Macht den Rektoren. Die haben - dumm sind sie ja nicht - die Falle, die man ihnen da aufgestellt hat, natürlich erkannt und einmal sogar mit kollektivem Rücktritt gedroht. Ich hab' damals einen Rektor - nicht „unseren“ übrigens - gefragt, warum es dazu nicht gekommen sei. Und der hat mir geantwortet: „Kannst dir vorstellen, wer Rektor wird, wenn ich zurücktrete?“ - Ich konnte es mir vorstellen.

Man gibt weniger Geld für die Universitäten aus - und findet natürlich Leute, die bereit sind, den so entstehenden Mangel zu verwalten, wenn sie dadurch Rektoren und damit sehr mächtig werden.

Das Geld, das die Universitäten vom Staat nicht mehr kriegen, sollen sie sich gefälligst woanders holen. Von der Wirtschaft zum Beispiel. Diese aber will, wenn sie schon zahlt, auch Einfluss nehmen. Und sie will Ausbildung, nicht Bildung. Genau das will diese Regierung auch. Anschaffen muss sie es gar nicht, der Markt regelt das schon, wie er heutzutage ja alles regelt. Am Ende könnten die Universitäten tatsächlich zu - wie Streeruwitz es nennt - „Kaderschmieden und Kadettenschulen“ verkommen. Sie meint, es sei schon so weit. Das bestreite ich aber.

Ich habe heftig vor den verheerenden Folgen dieser Uni-Gesetze gewarnt, doch nun sehe ich: Wieder einmal hat ein angekündigter Weltuntergang nicht stattgefunden. Woran das liegt, ist einfach erklärt: Auch die erbittertsten Gegner des Gesetzes reißen sich jetzt - um es sehr volkstümlich auszudrücken - den Arsch auf, um sogar unter diesen miserablen Bedingungen auf halbwegs vertretbarem Niveau weiterzumachen. Ich versuche das auch und nehme in Kauf, dass wir dafür bestraft werden, indem man uns heute hämisch vorhält, die Praxis zeige doch, dass unsere Warnungen von gestern wohl ein wenig hysterisch gewesen seien.

Dabei wäre es leicht gewesen, die von uns befürchteten Folgen Wirklichkeit werden zu lassen. Wir hätten uns nur penibel an den Buchstaben dieses Pfusch-Gesetzes halten müssen. Im Interesse der Studierenden agieren viele von uns aber nur „weitgehend gesetzesnah“, und allein deshalb ist noch ein Betrieb möglich, der die Bezeichnung universitär immer noch verdient.

Was dabei Mut macht: Diese Regierung hat ein Ablaufdatum. Manches kann auch wieder anders werden.

LESERBRIEFE

Von Magister Zaupenzwirn aus Attnang-Puchheim am Montag, 30.05.05 um 09:55
Bitte nein. Eines bitte möcht ich sagen: Meine Frau und ich haben seit siebenunzwanzig Jahren die Presse abonniert, und eine solche Frechheit wie was die Artikel von diesen Linken sind die da seit einiger Zeit sich abdrucken lassen haben meine Frau (Alberta) und ich ja überhaupt noch nie erlebt. Daß das bitte einmal klar ist: Österreich ist ein wundervolles Land, beste Luft, schönste Landschaft, und erst die Milch, und da müssen wir es nicht, daß so eine Gruppe von Kommunisten immer schimpfen, denn wir haben eine gute Regierung, und was unsere gute Regierung macht ist gut, und ich will das nicht hören, bitte, holt den Unterberger zurück mit seinem schönen Lodenjanker!